… sagte einst Kurt Lewin. Und ich finde, er hat recht. Und warum?
Weil wir uns immer „Theorien“ machen. Wenn mich mein Arbeitskollege blöd anredet, habe ich sofort eine „Theorie“, was mit ihm los ist und warum er mich nicht mag. Nur ist die Theorie weder zutreffend noch hilfreich. Sie ist in der Regel affektgesteuert. Wenn wir (vor allem in komplexen sozialen Situationen) nichts anderes als solche Schnellschüsse haben, dann kommen wir nicht weit.
Theoriegestütztes Arbeiten
Hier beginnt „theoriegestützes Arbeiten“. Beispiel gefällig? Wenn ein Team plötzlich zu streiten beginnt, dann kann ich einen Teilnehmenden rauswerfen (der Affekt der Ablehnung wird gefolgt von der Erklärung: „der stört das Team“), oder ich kann die Phasentheorie von Tuckmann, König & Schattenhofer heranziehen (die kennen Sie sicher: Forming, Storming, Norming, Performing) und das Streiten als einen notwendigen Übergang auf dem Weg zur Arbeitsfähigkeit erkennen und unterstützen.
Der Moralpsychologe Jonathan Haidt hat das Bild (hier) geprägt, dass unser Geist ein großer Elefant ist, auf dem ein kleiner Reiter sitzt. Der Elefant (die Intuition) macht. Der Reiter (das Bewusstsein) dient. Das mag verstörend sein, ist aber leider ziemlich gut wissenschaftlich erforscht. Und zu was ist der Reiter dienlich? Er dient dem Elefanten (1) durch Rechtfertigung des eigenen Handelns, (2) durch Finden von Argumenten, warum die anderen Elefanten auch so handeln sollten, und ganz, ganz selten (3) indem er dem Elefanten andere Möglichkeiten des Handelns zeigt und schmackhaft macht. Der Elefant entdeckt Neues und lernt.
„Theoriegestütztes Arbeiten“ ist Arbeit mit Reiter und Elefant. Es ermöglicht mir, mich und Andere breiter wahrzunehmen als bisher, und das Geschehen neu zu interpretieren.
Theorie- versus methodengestützt
Und wozu Theorien und nicht Werkzeuge? Es gibt viele Methoden in der Beratung, und viele davon sind gut. Aber es hilft nichts: Methoden sind Werkzeuge, die auf einer bestimmten Interpretation der Wirklichkeit aufsetzen, um soziale Beziehungen in Bewegung zu bringen – wenn sie denn so sind, wie die darunterliegenden Annahmen sagen. Ahja, und woher kommen diese Annahmen? Aus Theorien – aus „ich-denke-ich-weiß-was-hier-los-ist“.
A Fool With a Tool is Still a Fool
Wie oft wissen wir das gar nicht, welche Annahmen hinter einem Werkzeug stecken? Wenn wir nur methodengestützt arbeiten, dann arbeiten wir mit einem Werkzeug ohne Gebrauchsanleitung, aber unsere Werkstücke sind Menschen, und wenn an ihnen etwas kaputt geht, dann tut das weh. Nein, der Gedanke des „Werkzeugs“ im sozialen Kontext ist zu verstörend, um ihn weiter zu verfolgen.
Wer methodengestützt handelt, muss hoffen, dass die Wirklichkeit auf die Methodik passt, die er/sie gerade einsetzt. Wer theoriegestützt handelt, kann vertrauen, auch in anderen Situationen handlungsfähig zu sein, weil Theorien helfen, selbst Werkzeug zu sein, anstatt nur Werkzeuge zu haben.
Theoriegestütztes Arbeiten verfolge ich vor allem in meinen Trainings. Interesse? Kontakt!
Konferenz: „Es gibt nichts praktischeres als eine gute Theorie.“ (Kurt Lewin)
Zu diesem Thema gibt es vom 13.-14. Jänner 2017 eine spannende Konferenz, die ich mitveranstalte: Die „Gruppendynamiktage Gallneukirchen“.
Wie steht es um den Forschungsstand in der Gruppendynamik? Welche Theorien und Methoden prägen uns? Welche Antworten bietet die Gruppendynamik auf die aktuellen Anforderungen unserer Gesellschaft?
Die Gruppendynamiktage 2017 werden sich mit diesen Fragestellungen beschäftigen entlang der Achse „Woher kommen wir? Wo stehen wir? Wohin gehen wir?“ Mit Beiträgen u.a. von Monika Stützle-Hebel, Karl Schattenhofer und Andreas Amann.