Von der Praxis der Forschung – eine Nachlese

11 Feb, 2017

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Kürzlich waren die Gruppendynamiktage Gallneukirchen – die Jahrestagung der GruppendynamikerInnen im ÖAGG. Wir reflektierten unsere Theorien. Wenig überraschend kamen ein paar Ideen dabei raus.

Das Wichtigste wohl: Wir alle sind Forschende. Forschung ist eine Haltung – eine Haltung des Nicht-wissens-aber-wissen-wollens. Karl Schattenhofer beschrieb den Ansatz von Kurt Lewin: Wir beforschen uns selbst, erforschen dabei Gruppen, und wollen damit auch etwas tun in dieser Welt: ein emanzipatorischer, ermächtigender Anspruch.

Diese Selbsterforschung – sagt Schattenhofer – ist mittlerweile etwas weitgehend Privates geworden: T-Gruppen und Gruppenarbeit sind vertraulich, und weder Teilnehmende noch TrainerInnen oder TherapeutInnen gestatten den Blick über die Schulter (von wenigen Ausnahmen abgesehen).

Die Gruppenforschung der Psychologie ist ins Labor gegangen, und wurde damit immer präziser, aber auch immer mehr entfremdet.

Wir haben uns beide von der Welt entfremdet.

Nun gibt es ja noch etwas: Wissenschaft. Und wissenschaftliches Forschen geht nun anders. Auf den einfachst-möglichen Nenner gebracht, lebt Wissenschaft davon, maximal transparent zu sein: in den Quellen, in der Methodik und dem Ergebnis. Damit sollen die Ergebnisse nachvollziehbar, nachprüfbar und zumindest potenziell nachmachbar gemacht werden. Das soll so sein. Dafür gibt es viele gute Gründe.

Wissenschaft ist ja zweierlei: Einerseits eine Methodik, andererseits eine Institution. Als Institution braucht sie die Methodik, um sich selbst gegenzuchecken, um Wissen von Bogus zu unterscheiden, und um Wissen öffentlich zu machen.

Wer nicht wissenschaftlich arbeitet, ist schnell sein Gesicht in der Öffentlichkeit los und riskiert, bedeutungslos zu sein. Aus dieser Ecke kommt auch die Abwertung, die mitschwingt, wenn wir etwas „unwissenschaftlich“ nennen. Dabei ist – erkenntnistheoretisch – unsere Wissenschaft nur eine spezifische Form, Erkenntnis zu gewinnen (und sie funktioniert gut), aber mit Wissenschaft ist eben nur bestimmte Erkenntnis zu gewinnen (die ihrer Methodik entspricht) und andere nicht. Sie ist weder gut noch schlecht. „Unwissenschaftlich“ ist für mich keine Wertung. Es gibt viel Erkenntnis außerhalb von Wissenschaft.

So, wie wir GruppendynamikerInnen arbeiten, ist oft nicht wissenschaftlich und es geht auch nicht. Wir bewegen uns viel zu oft in Subjektivem, in Privatheit, in Schutzräumen.

Wir haben also Zwei Auswege:

1) Wir leben damit, in bestimmten Bereichen nicht wissenschaftlich zu sein. Das müssen wir aushalten.
2) Wir könnten schon daran arbeiten, welches Material wir mit der Methodik der Wissenschaft nützen – und auch nützen lassen, denn wir würden auch der Kritik ausgesetzt. Das ist der Preis.

Der Lohn wäre, dass die Gruppendynamik in einer hochbrisanten Zeit wieder mehr gehört würde. Das wäre es vielleicht wert.

(Bild: Pallas Athene ist die Schutzgöttin der Forschenden. Bild: Marsyas auf Wikipedia, GNU Public License 3.0)

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