Wir leben in einer Zeit der tosenden Politstille. Die durch die Globalisierung etablierten Formen des policy makings haben sich festgefahren, und die Methoden der Konsensbildung funktionieren immer weniger. Es gibt für mich wenig Argumente, von dieser grundsätzlichen Kritik der Politik in Zeiten der Globalisierung abzugehen. Colin Crouch nennt diese Zeit „Postdemokratie“ (mehr dazu hier).
Die Reaktion der Mehrheit der Ohnmächtigen empfinde ich als zutiefst verstörend: Sie suchen nicht Lösungen, sondern Schuldige. Sie suchen charismatische Fühende statt Mitbestimmung. Sie suchen den Hammer statt das Argument. Sie führen Debatten statt Diskussionen (mehr dazu hier). Das ist der falsche Weg. Der Historiker Fritz Stern sagte Anfang Februar dem Deutschlandradio: „Ich befürchte, dass wir vor einem neuen Zeitalter von Angst und Illiberalität und neuem autoritären System stehen, wobei ich gleich ein Warnsignal von mir geben würde über Polen und Ungarn.“
Die Wahl zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen ist symptomatisch dafür. In einer Zeit, in der Menschen Schuldige, Führer und Hammer suchen, ist es Zeit, Stellung zu beziehen. Ich stehe dafür nicht zur Verfügung – weder als Berater, noch als Mensch in Gesellschaft. Deswegen wähle ich Alexander van der Bellen.
Das mag Widerspruch auslösen – ein Berater im politischen System, der sich deklariert? Das muss ich in Kauf nehmen. Ich deklariere mich nicht für eine Partei, nicht für eine Bewegung, sondern „nur“ für eine politische Gesinnung – das habe ich bis jetzt mehrfach getan und tue es weiter.
Der bessere Bundespräsident wird dieses System nicht gravierend ändern und vermutlich nichts heilen – schon gar nicht die Megatrends, die zu dieser Entwicklung geführt haben. Der falsche Bundespräsident kann es aber deutlich verschlimmern – ist der mit seinen weitreichenden Kompetenzen ein „schlafender Riese“, wie ihn Manfred Welan und Alfred Noll im Falter genannt haben. Wir sollten diese Möglichkeit, Schlimmeres zu verhindern, nicht vergeigen.