Politisch wird das miteinander-reden gerade sehr unmodern, und auch immer weniger erfolgreich. Ersetzt wird das durch Übereinander-reden und „Taten-statt-Worte“. Die Trump’schen Strafzölle sind nur die Spitze des Eisbergs.
Das alles ist ein schönes Muster für einen eskalierenden Konflikt im 9-Stufenmodell von Friedrich Glasl: Diese Strategien passen in die Rubrik „Win-Loose-Situationen“ – wenn es denn ein Konflikt wäre. Es ist nämlich eine Stellvertreter-Inszenierung, in der das vermeintliche Gegenüber nur dafür benützt wird, Täter zu spielen und Opfer zu sein – aber dazu ein andermal.
Ebenso unmodern wird gerade das Modell der partizipativen Führung: Führung im Sinne von Prozessführung, bei der viele Meinungen und Interessen zusammen kommen und eine weitgehende Übereinstimmung erzielen. Autoritäre Führer (ja, Männer, kein Genderfehler) werden wieder super, und zwar weltweit.
Kürzlich sinnierte ich gemeinsam mit meiner Kollegin Stephanie Krawinkler darüber, ob dieser Zug auch in die Unternehmenskulturen einzieht. Immerhin haben wir uns jahrzehntelang damit geplagt, die Hierarchien durchlässig zu machen, die sogenannten „unteren Ränge“ zu aktivieren und Verantwortung zu übertragen. Jetzt müssen wir alle agil werden und (Holokratie, Kreisorganisation und so) Hierarchien vermeintlich überhaupt abschaffen. Unsere Lehrbücher sind voll von Sätzen wie „command-and-control funktioniert nicht – es braucht echte Beteiligung, um innovativ, schnell – agil eben – zu sein, und wir müssen agil sein, um zu überleben.“ Ist das alles nun verkehrt?
Diese Frage stellte ich dann Gerhard Schwarz, Gruppendynamiker, Organisationsentwickler und zweiten österreichischen „Konfliktpapst“ (neben Glasl). Er erzählte eine Anekdote: Ihm hätte ein Manager, den er lange beriet, gesagt: Vielen Dank für Ihre wirkungsvolle Arbeit, aber wir brauchen Sie jetzt nicht mehr. Jetzt wird hier nämlich wieder geführt. Und Gerhard Schwarz sagte dazu: Natürlich hätte das nicht funktioniert.
Die autoritäre Wende ist ein Rückschritt. Diesen Satz mögen nicht alle teilen (die Identitären sehen sich ja als avantgarde), aber es gibt ein paar gute Belege dafür, allen voran dieses: Autoritäre Führung ist schlechter bis nicht in der Lage, komplexe Probleme zu lösen. Rückschritt heißt, wenn die aktuellen Kapazitäten weniger als vorher in der Lage sind, Situationen in der Außenwelt sinnvoll zu bearbeiten (man mag das über die repräsentative Demokratie auch sagen, aber das ist ein anderes Thema).
Aber im Unterschied zur Politik merken Unternehmen ganz schnell an den Quartalszahlen, wenn sie was nicht können. Disruption wird ja weitergehen, die Entwicklung wird sich weiter dynamisieren. Wie weit man mit einem autoritären governance regime kommt, lässt sich an Ländern wie Russland oder Venezuela sehen: Wer zufällig einen wichtigen Rohstoff hat, kann sich das leisten. Eine Ausnahme ist China, und das wäre nochmal ein eigener Blog wert. Hier greifen ökonomische Phänomene mit ein.
Es ist schwer vorstellbar, dass eine so große gesellschaftliche Umwälzung zum Autoritären nicht auch in unseren Organisationen wirksam wird. Und es ist schwer vorstellbar, dass das funktioniert, im Sinne von: dass die Ergebnisse stimmen. Vielleicht wird es wie in der Politik: Wir haben die autoritäre Wende, und sie wird keine Probleme lösen, im Gegenteil.
Wie wird das also weitergehen? Werden weltweite Konzerne wieder autoritär geführt werden? Oder wird sich die Wirtschaft in Zeiten reaktionärer Wende als Paralleluniversum ausbilden? Wird sich Wirtschaft spalten in einen kleinen agilen und einen großen autoritären Teil, so wie sich unsere Gesellschaft gerade spaltet?